Jahreszahlen mit einer 4 endend können offenbar immer auch eine Gelegenheit für eine Rückschau sein. So zum Beispiel auf 1934, als der Ortsteil Gundorf seine Selbständigkeit als Gemeinde aufgab und Bestandteil der 1839 vereinigten beiden Orte Böhlitz und Ehrenberg wurde. Der damalige Gundorfer Bürgermeister A.Ludewig wurde dann zum Jahr 1945 Vorstand der neuen Gesamtgemeinde. Der Name Gundorf blieb aber für die Schule und für die Kirche samt Friedhof erhalten., während der Bahnhof Gundorf-Burghausen in Böhlitz-Ehrenberg umgenannt wurde. Auch das Rittergut Gundorf blieb bei seiner Bezeichnung durch die Familie Ackermann, bis es von Leipzig 1938 für spätere Industrieansiedlungen (für 2,6 Mio Reichsmark) gekauft wurde. Vorbesitzer waren u.a. der Erbschänkenpächter C.F. Heine und sein Sohn Carl Friedrich Erdmann-Heine, bekannt später als Pionier des Leipziger Westens (Karl-Heine-Kanal). Die Gemeindeverwaltung hieß Mitte des 19. Jahrhunderts noch „Gundorf mit Scherbitz“, weil der frühere Lehnhof im Grundbuch auf Flur „Neuscherbitz“ stand, eingetragen 1661 durch den Besitzer , dem Oberhofgerichtsassesor Fritzsch aus Scherbitz.
Historisch aber weit bedeutsamer ist eigentlich das Alter von Gundorf, nachweisbar durch die Chronik des Bischofs Thietemar von Merseburg, auf die sich jetzt auch die Stadt Leipzig mit ihren 1000 Jahren bezieht. Für Gundorf bzw. damals Gunthorp ist (wie übrigens auch für Portitz) das Jahr 974 als Zeitpunkt für eine Schenkung an das damals noch arme Bistum Merseburg verzeichnet.Mit einer Ausstellung im Akademie-Institut Gundorf wurde 1974 dieser Tatsache gedacht.
Dr.Siegfried Schumann
Erinnerung an die Vereinigung von Böhlitz und Ehrenberg vor 175 Jahren
Dieses Jahr können wir auf ein kleines Jubiläum zurückblicken, denn vor 175 Jahren, im Jahre 1839 vereinigten sich die beiden Orte Böhlitz und Ehrenberg zu Böhlitz-Ehrenberg. Die beiden Dörfer kann man heute kaum noch in seinem Ursprung erkennen. Entlang der heutigen Auenstraße hatten sich zwei Siedlungen gebildet, getrennt durch das Bächlein Biela, das jahrzehntelang völlig von der Oberfläche verschwunden schien und Anfang der 90er Jahre nördlich der Auenstraße wieder ans Licht gebracht wurde; freilich nur noch als Rinnsal, da sein natürliches Einzugsgebiet durch die Bebauung zur vorherigen Jahrhundertwende fast völlig verloren ging.
Im Mittelalter waren die Siedlungen Handelsobjekte der kirchlichen und weltlichen Würdenträger. So überließ 1269 laut Urkundenbuch des Hochstifts zu Merseburg der Markgraf Heinrich von Meißen dem Peterskloster die Vogtei (Abgaben und Gerichtsbarkeit) über verschiedene Orte des Leipziger Westraumes, darunter Belitz und Irrenbergk. 1285 verkaufte der Markgraf Friedrich von Landsberg die Gerichtsbarkeit Ranstädt ( dazu gehörten auch Beelitz und Irrenbergk) an den Bischof Heinrich. Nach den Wirren des Bauernkrieges und der Reformation verarmten die Klöster, es erfolgte Übereignung. 1562 übernahm durch Kauf Kurfürst August von Sachsen das Stift Merseburg, zu dem auch die beiden Dörfer gehörten. Die Abteidörfer, wie sie bis ins 18. Jahrhundert genannt worden, gehörten zum Amt Schkeuditz, das über einen eigenen Abteirichter und eine eigene Verfassung verfügte.
Diese Amt Schkeuditz blieb im wesentlichen mit den Orten Böhlitz und Ehrenberg (seit 1677 in der heute üblichen Schreibweise) bis 1815 bestehen. Im Ergebnis des Wiener Kongresses erfolgte eine Teilung Sachsens. Die Dörfer im Nordwesten von Leipzig zwischen Dölzig, Barneck und Wiederitzsch blieben weiterhin in Sachsen, während die Stadt Schkeuditz Preußen zufiel.
Waren vorher die Grenzen durch die klaren Besitzverhältnisse der in den Dörfern lebenden Bewohner vorgegeben, änderte sich dies mit der Zeit. Durch Verkauf und Vererbung waren die Flurgrenzen zwischen den beiden Orten mit der Zeit nicht mehr genau nachweisbar. Grundbücher wurden damals noch nicht geführt. Durch die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Orte ergaben sich auch andere gemeinsame Interessen. Vorhandene Teiche wurden schon gemeinsam genutzt. Auch war in beiden Orten ein Nachtwächter gemeinschaftlich tätig. Die Unterhaltung der Wege erfolgte größtenteils zusammen. Ein gemeinsamer Hirt wurde von beiden Gemeinden bezahlt. Selbst ein Gemeindebulle erledigte seine Pflichten in den Gehöften der Bauern beider Dörfer.
All diese Gemeinsamkeiten führten dazu, dass sich die Bewohner beider Orte Gedanken machten, die Siedlungen zu vereinigen. Die Vereinigung musste durch das Kreisamt Leipzig als übergeordnete Behörde bestätigt werden. Am 8.01.1839 kam es dort zu einer ersten Zusammenkunft. Ehrenberg wurde vom Ortsrichter Gottlob Jacob und Böhlitz vom Gerichtsschöppen Johann Friedrich Kuhnt vertreten. Bei der Beratung wurde u.a. festgestellt, dass die Grenzen der Fluren beider Dörfer nicht mehr genau zu auseinander zu halten sind und nur noch eine gemeinsame Flur nachgewiesen werden kann. Auch wurden andere gemeinsame Interessen ausgemacht, z.B. bei der Armenversorgung. Während der Böhlitzer Vertreter die Vollmacht seiner Einwohner bereits vorlegen konnte, musste dies der Ehrenberger Ortsrichter noch einholen. Das war aber kein Problem, denn in jedem Ort wohnten etwa 100 Einwohner. Am 27.01. versammelte sich die Gemeinde Ehrenberg und befürwortete die Vereinigung. Bereits zwei Tage später, am 29.01.1839 wurde die Vereinigung beim Kreisamt bestätigt.
Das führte auch zur Bildung eines von den Einwohnern zu wählenden Gemeinderates, der die Gemeindeversammlung, in der alle ansässigen (besitzhabenden) Gemeindemitglieder einer Gemeinde vertreten waren, ablöste. Nach der Vereinigung hatte die neue „Gemeinde zu Böhlitz-Ehrenberg“ sich einwohnermäßig verdoppelt, so dass man sich zu diesem Schritt entschloss. Dabei konnten sich drei Klassen zur Wahl mit einer vorgegebenen Anzahl von Vertretern stellen. Zur ersten Klasse, die 6 Personen stellen durfte, gehörten Grundbesitzer. In der 2. Klasse waren Hausbesitzer vertreten und die 3. Klasse vertaten die Unansässigen (Besitzlosen). Beide Klassen hatten je 2 Vertreter zu stellen. Am 23. April 1839 wurde die Wahlversammlung in der Schankwirtschaft zu Böhlitz durchgeführt. Der gewählte Gemeinderat bestimmte aus seinen Reihen dann den Gemeindevorstand (namens Carl Friedrich Herrlitz) und den Gemeindeältesten. Die neue Gemeinde war nun handlungsfähig.
In der Folgezeit wuchs die Gemeinde zu einer wirtschaftlichen Großgemeinde mit zeitweise über 10.000 Einwohnern und 15.000 Arbeitsplätzen. Bis Ende 1998 war Böhlitz-Ehrenberg eine eigenständige Gemeinde im Amt Leipzig bzw. Landkreis Leipzig-Land. Am 1.1.1999 verlor sie im Zuge der sächsischen Verwaltungsreform ihre Eigenständigkeit und wurde Teil der Stadt Leipzig. Ihren Ortschaftsrat (als Nachfolger des Gemeinderates) hat sie aber noch bis heute erhalten.
Helge Schmidt