Über die Entwicklung und Nutzung des ehemaligen Gemeindeamtes und unseres heutigen Domizils wurde bereits oft berichtet. 1907 wird erstmals die Eröffnung einer Sparkasse an diesem Ort in Böhlitz-Ehrenberg erwähnt. Diese Nutzung begann vorerst nur in einem Raum des Gebäudes. 1907 folgte die Angliederung an eine Girokasse mit separatem Eingang an der rechten Giebelseite (Nordseite/Waldmeisterweg). Dieser Kassenraum hat vergitterte Fenster; darin befindet sich ein wuchtiger, schrankgroßer Tresor. Auch zu Gemeindezeiten befand sich dort die Kasse, wo jegliche Bargeldzahlungen abgewickelt wurden.

 

Im Ergebnis der heimatforscherischen Halbzeitbilanz, wo wir uns auch vorgenommen hatten, an unbekannte geschichtsträchtige Dinge heranzugehen, lag es so nahe, auch einmal das in der historischen Küche »versteckte« Stück, unseren Panzerschrank mit bescheidenem Firmenschild, näher in Augenschein zu nehmen und dieses Relikt aus früherer Zeit zu erforschen.

 

Auf der Innenseite der schweren Panzertüren prangt ein gelbes Etikett, schwarz gerahmt sowie mit einer Medaillenserie in roter Einlage. Das Blech-Etikett weist als Hersteller des Panzerschrankes nicht etwa à la Egon von der liebenswerten dänischen Olsenbande mit deren skurrilen Anekdoten in den filmischen Dauerbrennern oft erwähnten »Panzerschrank Franz Jäger Berlin« aus, sondern schlicht »Braune & Roth Leipzig«. Nie gehört, möchte man kurzerhand darüber hinweg gehen. Die durch immerhin sechs Preismedaillen auf dem Schild aufgewertete Firma allein besagt nun auf den ersten Blick (fast) noch gar nichts. Doch es spornte an, diesen Hersteller von Geldschränken aus Leipzig näher zu hinterfragen. Was einem bei der aufwendigen Recherche entgegen tritt, ist schließlich eine chronologische Entstehungsgeschichte, die im Boom der sogenannten »industriellen Gründerjahre« ab etwa der 70er Jahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu finden ist.

Aus der 1888 gegründeten Werkstatt eines Schlossermeisters namens Hermann Braune, wohnhaft in der Leipziger Sidonienstraße 37 (heutige Paul-Gruner-Straße), wächst nach und nach eine Kleinfabrik des Metallgewerbes mit typischen Erzeugnissen und üblichen Reparaturarbeiten heran. Der handwerkliche Aufschwung ist sichtlich gut, denn um 1910, in der Hochblüte der wilhelminischen Kaiserzeit in Deutschland, offeriert die aufstrebende Kleinfirma ihr zwischenzeitlich längst spezialisiertes Angebot für »Geldschränke, Kassetten, Kopierpressen«. Die Herstellung umfasst eine Palette von Bücher-, Dokumenten- und Rolladenschränken, spezialisiert sich aber um die 1920er Jahre und wirbt stolz als »Fabrik für Geldschränke und Panzer-Tresoranlagen«. Ob nun eher aus Altersgründen oder um die Unternehmensführung zu straffen folgen ab 1922 dem ehemaligen Eigentümer Gustav Braune zwei neue Inhaber, der in Eutritzsch wohnende Kaufmann Albert Aue sowie Kaufmann Paul Pretzsch. Den Erschwernissen der Zeit des dauerhaften Niederliegens der Wirtschaft einschließlich Massenarbeitslosigkeit nach dem I. Weltkrieg unterliegt auch diese Firma. Für diese katastrophalen Jahre wurde noch ein Prokurist F. Raue erwähnt. Ab 1925 wechselte die Firma in die Dübener Landstraße 330 c. Vergrößerung des notwendigen Firmengeländes kann ein entscheidender Grund gewesen sein, denn offenbar um dem ungeheuren wirtschaftlichen Druck zu entgehen, verschafft sich die Firma in den späten 1920er Jahren ein weiteres Standbein: sie widmete sich seit 1927 dem Stahlhäu­serbau. Noch vor Januar 1926 hatten die seit 1922 agierenden Inhaber diese innovative Bauweise entwickelt und meldeten Patentansprüche sowie Gebrauchsmusterschutz an. Eine besondere Variante geschickter Expansion, die der Firma wahrlich bleibenden Ruhm verschaffen sollte. Es erfolgte die Gründung der Deutschen Stahlhausbau-Gesellschaft Leipzig. Diese Idee als solche war das Eine, die durch Produktion von Elementen für Stahlhäuser gleichzeitig erwartete Entspannung auf dem deutschen Wohnungsmarkt jener Zeit angesichts eines deutschen Wohnungsdefizits von 1,7 Mio. Wohnungen um 1919/1920 drückte sich als hochrangiges gesellschaftliches Ziel aus.

 

Aus dem für Braune & Roth reichspatentamtlich geschützten Verfahren für ein innovatives Konstruktionsprinzip der Stahlträger-Skelettbauweise, mit daran befestigten Stahlplatten für die Außenwände, reduzierte sich die Bauzeit damit auf lediglich knapp 24 Tage. Durch Braune & Roths geniale Methoden wurde durch Standardisierung damit zugleich moderne Serienfertigung möglich.

 

In dem durch seine Steinbrüche berühmt gewordenen Dorf Beucha nahe Leipzig ist erstmalig in den späten 1920er Jahren ein solches Haus mit Stahlbauskelett erbaut worden.

Vielleicht hat Sie dieser Beitrag wieder neugierig auf unser Heimatmuseum gemacht! Wir erwarten jeden Dienstag von 15.00 bis 18.00 Uhr interessierte Besucher in unseren Vereinsräumen im Erdgeschoss in der Südstraße 10.

Hannelore Schaaf